Komfortables Orgelspiel dank SPS und Touch Panel

Das Orgelspielen an Spieltischen mit mehreren Manualen und Pedal erfordert vom Organisten ein Höchstmaß an Fingerfertigkeit und Konzentration, zumal er sich neben dem reinen Spielen auch noch um die Registrierung der Orgel, das heißt die richtige Wahl der Klangfarbe kümmern muss.

In der Vergangenheit haben daher Orgelbauer bzw. Hersteller von Orgelspieltischen Versuche unternommen, dem Organisten einen Teil der Registrierungsarbeit durch mechanische Vorwahlen der Registrierung abzunehmen. Dabei bestand aber immer das Problem, dass nur etwa 8 Kombinationen vorwählbar waren. Moderner und zuverlässiger sind so genannte elektronische Setzer, bei denen die vorgewählten Registerkombinationen nicht mehr mechanisch, sondern elektrisch bzw. elektronisch gespeichert werden.

In Verbindung mit einem Touch Panel sind bis zu eine Million Registerkombinationen möglich

Die Firma L. Eisenschmid & Sohn mit Sitz im bayerischen Andechs als Hersteller von Orgelspieltischen, Klaviaturen und Orgelteilen hat hier nun ganz neue Wege beschritten. Die gesamten Registerkombinationen werden in einer Speicherprogrammierbaren Steuerung (SPS) hinterlegt. Hierbei sind 10 000 Registerkombinationen Standard. - in Verbindung mit einem Touchpanel bis zu 1 000 000 Kombinationen.

Der Organist findet zunächst an einem solchen Spieltisch alle ihm gewohnten Elemente wie Manuale, Pedal und die Registerzüge vor. Er kann hier ohne Vorkenntnisse der Technik, die dahintersteckt, wie gewohnt spielen.

Dazu befindet sich - kaum auffallend - im Spieltisch eine Schublade, in der sich ein Touch Panel als zusätzliches Eingabemedium für die SPS befindet. Nun kann der Organist zunächst per manueller Registrierung über die gewohnten Registerzüge die gewünschte Klangfarbe herausfinden. Durch einen einfachen Speicherbefehl über einen "Setzknopf" wird diese Registrierung nun in der SPS abgespeichert (gesetzt). Diesen Vorgang kann er nun für bis zu 1000 Registerkombinationen in einem Speicherblock wiederholen. Speicherblöcke können entweder über einen Speichercode oder über einen Schlüsselschalter gegen Zugriff geschützt werden. Eine USB-Schnittstelle erlaubt es dem Organisten außerdem, die gewählten Registerkombinationen über einen USB-Stick auch extern abzuspeichern und wieder aufzurufen.

Das Aufrufen der gesetzten Registerkombinationen erfolgt nun in umgekehrter Reihenfolge, wobei nach Eingabe des Zugangscodes bzw. über den Schlüsselschalter  die gewählten Kombinationen in einem Speicherblock wieder zur Verfügung stehen. Vereinfacht wird der Abruf der Registerkombinationen durch sogenannte Sequenzer, die die gewählten Kombinationen direkt sequentiell durch einen einfachen Tastendruck anwählen. Die Sequenzertasten befinden sich ebenso im Manualbereich und als Fußtasten im Pedalbereich. Zusätzlich wird über ein kleines Display in Sichthöhe des Organisten die gewählte Kombination numerisch angezeigt und durch kleine LED-Anzeigen über den jeweiligen Kombinations-Tasten auch optisch sichtbar gemacht.

Neben diesen spieltechnischen Hilfen bietet diese Steuerung über das Touch Panel dem Organisten auch die Möglichkeit, die Verzögerungszeit der Registereinstellmagnete einzustellen, sowie über einen Lampentest die Funktion aller Lampen und LEDs zu prüfen und die Helligkeit des Displays zu variieren.

Eine SPS steuert die Technik im Hintergrund

Die gesamte SPS-Steuerungseinheit befindet sich in einem vom Spieltisch getrennten Schaltkasten.
Sie besteht prinzipiell immer aus einer zentralen Steuerung - der CPU 214-1BA02  aus dem VIPA System 200V und nachgeschalteten digitalen Ein- und Ausgängen. Bei größeren Spieltischen kommt noch eine dezentrale Erweiterung, die über Profibus angesteuert wird,  dazu. Hier setzt der Orgelbauer die CPU 214-2BM02 mit integriertem Profibus-Master und einem oder mehreren Profibus-Slaves ein.
Vor allem aus Platzgründen benötigte Eisenschmid & Sohn ein kompaktes, aber auch modulares und jederzeit erweiterbares System. Die Wahl fiel dabei auf die Automatisierungstechnik der Herzogenauracher Firma VIPA, die exakt diese Eigenschaften mit sich bringt.

Das System 200V weist eine hohe Flexibilität durch den Anschluss von bis zu 32 Signal- und Funktionsmodulen auf und lässt sich durch steckbare Busverlängerungen jederzeit mit Modulen schnell nachrüsten. Dadurch ist ein übersichtlicher Aufbau möglich. Mittels eines normalen PCs lässt sich die Anlage über die MPI-Schnittstelle problemlos warten - sogar Fernwartung ist möglich. Die CPUs warten mit einer schnellen Anlaufzeit auf und sind in verschiedenen Klassen erhältlich. Zusätzlich ist das System 200V zu anderen Serien - wie der SPEED7 Serie - kompatibel und kann mit dem quasi Industriestandard STEP7 von Siemens programmiert werden.

Seit 2006 ist die Technik im Kloster Andechs im Einsatz

Als eine der ersten Orgeln wurde ein Orgelneubau im alten Gehäuse mit der neuen Setzertechnik sozusagen vor der Haustür in der Andechser Klosterkirche 2006 in Betrieb genommen. Nach Auskunft von Sebastian Reiser, dem Sohn des jetzigen Firmeninhabers Ludwig Reiser, funktioniert die eingebaute Technik trotz häufigen Temperatur- und Wetterwechsels störungsfrei. Auch die Orgel im Münchner Dom wurde mit der gleichen Technik ausgerüstet - Weltweit sind mittlerweile mehr als 60 solcher Anlagen in Betrieb!
Ein Orgelspieltisch mit 5 Manualen und Pedal wird nun auch in die Orgel von Kloster Roggenburg (www.kloster-roggenburg.de) in der Nähe von Ulm eingebaut. Auch hier setzt der Orgelbauer Stefan Heiß aus Vöhringen (www.heiss-orgelbau.de)  auf die bewährte Technik der Firma Eisenschmid. Weitere Entwicklungen gehen nun dahin, die SPS-Steuerung auch im Tonbereich (Tontraktur) einzusetzen. Des weiteren wird an einer MIDI Schnittstelle an der VIPA CPU zur Spielaufzeichnung gearbeitet.

Dass aber die Firma Firma L. Eisenschmid & Sohn neben hochmoderner Elektronik auch noch das alte Handwerk der Restaurierung und Reparatur von Klaviaturen und Orgelspieltischen beherrscht, zeigt ein Blick in die umfangreichen Werkstätten. Gefragt sind die speziellen Kenntnisse bei weltweiten Aufträgen für Neubauten und Restaurierungen von Orgelspieltischen oder spezieller Orgelteile. Mehr dazu auch unter www.eisenschmid-orgel.de.

Die Betreuung und Ausführung dieses außergewöhnlichen Projekts führte die Firma Günther Control Technik zusammen mit der Firma L. Eisenschmid & Sohn durch.

Autor:
Horst Günter, Günther Controltechnik - www.g-c-t.de
Norbert Schlimm, VIPA GmbH - www.vipa.de