VARTA mischt mit VIPA

Für Varta und XAPI gab es mehrere Argumente, die VIPA SPEED7-CPUs in den Steuerungen für einen wichtigen Produktionsbereich einzusetzen. Zunächst war die Aufgabe zu bewältigen, bestehende Steuerungen, die noch S5-Komponenten enthielten, ohne großen Material- und Zeitaufwand unter Beibehaltung der Funktionalitäten mit S7-Steuerungssystemen zu kombinieren. Mit Hilfe der S7-Steuerungen sollte dann die bestmögliche Lösung für die gestiegenen Anforderungen realisiert werden. In diesem Bericht wird beschrieben, wie das mit der neu konzipierten Anlagensteuerung erfolgreich mit SPEED7 umgesetzt werden konnte.

Die Firma Varta Consumer Batteries GmbH & Co. KGaA ist Teil der Spectrum Brands Gruppe, einem amerikanischen Mischkonzern, zu dem u. a. so bekannte Namen wie Remington gehören. Varta ist als Anbieter innovativer Qualitätsprodukte in den Bereichen Batterien, Akkus, Ladegeräte und Taschenlampen bekannt. Weltweite Standorte gewährleisten den konsequenten Ausbau der Marktstellung, vor allem in Zentraleuropa.

Die Situation und Aufgabenstellung

Im Werk Dischingen (BW), dem einzigen Produktionsstandort in Europa, werden alkalische Gerätebatterien hergestellt. Im Zuge von Moderni­sierungsmaßnahmen im Fertigungsbereich galt es nun, die Anlage zur Herstellung von Kathodenmasse (Granulat) für die Fertigung von Kathodenringen alkalischer Batterien mit neuen Steuerungs- und Bedienkomponenten auszurüsten. Von grundlegender Bedeutung dabei war, die verfahrenstechnische Anlage nicht zu verändern und die Funktionalität zu erhalten, da diese Anlage innerhalb der gesamten Fertigung eine Schlüsselposition einnimmt. Ein Ausfall der Anlage hätte nicht durch andere Maßnahmen kompensiert werden können, deshalb erforderte sowohl die Planung als auch die Umsetzung des Projektes größte Sorgfalt.

In der Anlage waren bereits vor der Modernisierung Siemens-SIMATIC®-S5 sowie teilweise SIMATIC®-S7-Steuerungs­­komponen­ten eingebaut. Für den gesamten Umbau der Anlage stand lediglich ein Zeitfenster von maximal fünf Produktionstagen zur Verfügung. Grundlage für die weitere Vorgehensweise waren die Stromlaufpläne, der vorhandene S5-Programmcode der bestehenden Steuerungen sowie die Bedienungsanleitungen von einzelnen Anlagenteilen.

Realisierung

Die Umsetzung aller erforderlichen Maßnahmen erfolgte durch die XAPI Software GmbH in Speyer. XAPI beschäftigt sich im Bereich Automatisierungstechnik mit der Software für Wäge- und Dosierprozesse und zählt hier zu den Spezialanbietern am Markt. Seit 2006 ist XAPI auch offizieller VIPA-Systempartner; in der Vergangenheit wurden bereits einige Projekte gemeinsam erfolgreich realisiert.
Für die Umsetzung dieses Projekts wurde auf der Steuerungsseite auf das VIPA-System 300S mit SPEED7-Technologie zurückgegriffen. Dabei wurden insgesamt sechs CPUs 315NET sowie eine CPU 317NET eingesetzt. Mit dieser Konstellation wurden Zykluszeiten unter 20ms erreicht, im Normalfall sogar von ca. 9ms.
Aufgrund dieser schnellen Zykluszeit war es möglich, die bestehenden SIWAREX M-Baugruppen nur noch als Signalbaugruppen zu verwenden, da die bisher verwendeten SIWAREX M-Dosierfunktionen durch einen Dosierbaustein innerhalb des neuen S7-Programms ersetzt werden konnten. Diese Maßnahme eröffnet auch in Zukunft die Möglichkeit, die Anbindung der Waagen frei zu wählen. Die integrierte Ethernetschnittstelle der VIPA-CPUs und deren CP343-Funktionalitäten ersparten den zusätzlichen Einsatz von diskreten Ethernet-Baugruppen. Darüber hinaus konnte die Ethernet-Schnittstelle zur Anbindung an den eingesetzten Webserver von XAPI über das TCP/IP-Protokoll verwendet werden.

Insgesamt gesehen führte der CPU-Wechsel zu einer erheblichen Performance-Steigerung.
Wie bereits oben erläutert, gelang durch den Einsatz von VIPA SPEED7-CPUs eine Zykluszeit von unter 20ms (9ms). Im Vergleich zur eingesetzten S5-CPU, die eine Zykluszeit von ca. 800ms/1s erreichte, ist die VIPA-CPU um Faktor 40 bis 100 schneller. Diese hohe Performance wurde auch benötigt, da der Ablauf des neu eingesetzten Batch-Systems von der Zykluszeit des SPS-Systems abhängig ist. Somit gelang es, die komplette Wägetechnik in die SPS zu verlagern und die verfahrenstechnischen Prozesse schneller zu realisieren. Schlussendlich hatte es dann noch den zusätzlichen positiven Effekt, dass die Reaktionszeiten der kompletten Anlage reduziert wurden.
Die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten der handelsüblichen MMC-Karten in den CPUs, wie zyklische Datenspeicherung oder Ablegen des aktuellen AG-Standes, gaben außerdem den Ausschlag für den Einsatz der VIPA-CPUs. XAPI hatte bereits in der Vergangenheit sehr gute Erfahrungen mit dieser Funktion sammeln können und die Software dahingehend auf CPUs von VIPA erweitert.

Der reichlich bemessene Arbeitsspeicher von standardmäßigen 1MB bei der CPU 315SN/NET und 2MB bei der CPU 317/SN/NET bietet ausreichende Speicherreserven, da die Speicherauslastung der CPUs in der Varta-Steuerung bei ca. 50% liegt. Nachträgliche Projekterweiterungen sind ohne CPU-Tausch möglich, zumal mit den VIPA-spezifischen MCC-Speichererweiterungskarten eine flexible Speicheranpassung ohne zusätzlichen Aufwand möglich ist.

Die hohe Speicherkapazität und die schnellen Zykluszeiten bei den VIPA SPEED7 CPUs sprachen für XAPI dafür, standardmäßig die CPU 315SN/NET bzw. 317SN/NET von VIPA in Verbindung mit ihrer Software einzusetzen. Als Wettbewerbsprodukt hätte mindestens die Siemens CPU 317 eingesetzt werden müssen, um eine vergleichbare Leistung erzielen zu können. Unter dem Kostenaspekt entschied sich auch der Endkunde Varta aufgrund des perfekten Preis-Leistungs­verhältnisses für die VIPA-Lösung. Für das neue Server­system wurde eine Plattform mit mehreren virtuellen Maschinen gewählt. Auf den einzelnen Maschinen sind u. a. das neue Batch-System, die neue Visualisierung, die Engineering-Station sowie die Fernwartung von XAPI installiert (s. Bild 4).
Das vorhandene Chargenver­waltungssystem (Delphi-Applikation aus mehreren Modulen) wurde durch die Standardsoftware X-Batch von XAPI ersetzt. Die Software ist webbasierend; somit können alle PCs innerhalb der Arbeitsgruppe auf den Server zugreifen.

Der Einsatz der Software X-PLANT der Fa. XAPI ermöglicht eine komfortable Bedienung und Parametrierung der verwendeten Module. So können z. B. Verzögerungszeiten, Ein- Ausschalt­verzögerungen oder Messwert­parametrierungen komplett über die Visualisierung abgelesen bzw. verändert werden. X-PLANT bietet detaillierte Diagnosemöglichkeiten: so ist der Schaltplan für jede Gruppe der Anlage als pdf-Datei in der Visualisierung hinterlegt. Über die erweiterte Diagnose kann das S7-Programm inklusive Bausteinbeschreibung und Onlinewerten für jeden Anlagenteil eingesehen werden. Innerhalb der Visualisierung existiert eine Systemübersicht, die eine umfangreiche Diagnose der einzelnen VIPA SPS’en, des internen Bussystems (Profibus) und des übergeordneten Netzwerkes (Ethernet), sowie der angeschlossenen Server und Clients erlaubt.
Inbetriebnahme

Um die Verdrahtungsarbeiten bei der Projektumsetzung/Inbetriebnahme so gering wie möglich zu halten, blieben die bestehenden S5-Baugruppen fast vollständig erhalten. Dazu wurden die vorhandenen Anschaltungs­baugruppen (SIMATIC®-S5 IM308-C) als Slave in der Profibus-Konfiguration der neuen VIPA SPS’en verwendet. Bereits vorhandene S7-Baugruppen (u. a. SIWAREX M, digitale und analoge Ein-/Ausgänge) wurden ebenfalls an dem DP-Slave angeschlossen. Die neuen VIPA SPS’en benötigten lediglich eine Spannungs­versorgung und eine Profibusanbindung, die bereits bei den CPUs integriert sind.
Durch die komplette Simulation im Testaufbau war vorab eine risikofreie Prüfung der Anlagenfunktionen möglich. Dies garantierte eine schnelle und reibungslose Inbetriebnahme. Nach Signaltest bzw. Handinbetriebnahme der gesamten Anlage konnte sofort zur Warminbetriebnahme mit anschließendem Produktionsstart übergegangen werden.
Anlagenbeschreibung
 
Die gesamte Anlage umfasst drei lineare Stränge (Mischerlinien), die Querverbindungen zwischen den Strängen werden aber in aller Regel nur im Fehlerfall einzelner Anlagenteile aktiviert.
Den einzelnen Strängen vorgelagert sind 13 Silos, in denen das Ausgangsmaterial bevorratet wird. Abhängig von der zu bearbeitenden Rezeptur werden die Ausgangsmaterialien gewogen, in einem Zwischenbehälter gepuffert und den Mischervorbehältern der einzelnen Mischerlinien zugeführt. Sind alle Ausgangsmaterialien einer Rezeptur im Mischervorbehälter gesammelt, wird der Inhalt durch eine Siebmaschine geführt, um Fremdkörper auszusondern. Das ausgesiebte Material gelangt in den Mischer.

Jede Mischerlinie verfügt zusätzlich über drei Kleinkomponentenwaagen (z.B. Waage 8, 9,10) und eine Waage für Elektrolyt (z.B. Waage 4). Sind alle Festkomponenten der Rezeptur in den Mischer abgefüllt, erfolgt eine Trocken­vermischung. Der Ablauf des Mischvorganges ist in der Rezeptur hinterlegt. Nach der „Trockenmischung“ wird Elektrolyt zugeführt und der „Nassmischvorgang“ beginnt, dessen Ablauf ebenfalls in der Rezeptur hinterlegt ist. Ist der Mischvorgang beendet, wird der Inhalt des Mischers in einen Mischernachbehälter entleert, aus dem das Material in den Kompaktor gelangt. Hier wird das feinkörnige Material nach dem Verfahren der Pressgranulierung mechanisch verdichtet und die so gewonnenen Schülpen in einem Grobbrecher und zwei Feinbrechern gezielt zerkleinert.

Steuerungsbeschreibung

In der beschriebenen Anlage sind die VIPA-CPUs 315SN/NET und 317SN/NET in der Mischerei in ein Ethernet-Netzwerk eingebunden. Die CPU 317SN/NET übernimmt dabei die zentrale Steuerungsfunktion bei der Dosierung der Rohstoffe (AG 1), die sechs CPUs 315SN/NET sind jeweils die zentrale Steuerungseinheit für die Befüllung der Rohstoffe (AG 7) sowie für die Mischer und Kompaktoren (AG 2 bis AG 6). Alle CPUs sind über Profibus mit den S5- bzw. S7-Erweiterungsracks verbunden (Bild 4).
Das gewonnene Granulat wird durch eine Siebanlage geführt, wo es in Grob- und Feinanteil getrennt wird. Der ausgesiebte Feinanteil wird über den Mischernachbehälter erneut der Kompaktierung zugeführt. Der Grobanteil wird in transportable Vorratsbehälter gefüllt und für die Weiterverarbeitung in der Zellenfertigung gelagert.

Der verfahrenstechnische Aufbau der drei Stränge ist identisch. Sie unterscheiden sich jedoch im räumlichen und mechanischen Aufbau, wobei Förderschnecken oder Becherwerke eingesetzt werden, um den Materialfluss zwischen den Anlagenteilen realisieren zu können.
Die Befüllung der 13 Rohstoffsilos für Braunstein, Graphit und für die Kleinkomponenten ist ebenfalls in der Anlage integriert. Die Anlieferung der Rohstoffe erfolgt als Sackware oder in Bigbags. Auch hierbei wird in Abhängigkeit von der Anlieferungsform eine weitgehende Automati­sierung der verschiedenen Vorgänge einschließlich der Rückführung der Verpackungs­materialien erreicht.

Die gesamte Bedienung einschließlich der gesamten Visualisierung der Anlage erfolgt in der Leitwarte. Zusätzliche Hand-vor-Ort Bedienung an einzelnen Anlagenteilen ist möglich. An einem zusätzlichen Büroarbeitsplatz kann anhand eines Testaufbaus die Simulation mit Original­kompomponenten durchgeführt werden (Bild 3).

Fazit: Auf der Basis der Steuerungsanforderungen gab es für Varta bzw. XAPI mehrere Gründe für den Einsatz von VIPA-Steuerungen.
In erster Linie sprach die überaus hohe Performance sowie das großzügige und flexible Speicherkonzept der SPEED7 CPUs für die Lösung mit VIPA-CPUs. Hinzukam das zusätzliche Feature der in den eingesetzten VIPA-CPUs bereits integrierten Ether-netschnittstellen, die für die Anbindung des eingesetzten Webservers von XAPI verwendet werden konnte. Das ersparte den Einsatz zusätzlicher diskreter CP–Baugruppen. Die Möglichkeit der Verwendung handelsüblicher MMC-Karten für die externe Datensicherung und das ausgewogene Preis-Leistungsverhältnis rundeten das gesamte VIPA-Paket ab. Bereits in der Vergangenheit gesammelte positive Erfahrungen von XAPI und Varta mit eingesetzten VIPA-Produkten gaben bei der Produktwahl den Ausschlag, denn die oben beschriebene Mischereisteuerung erforderte aufgrund der großen Bedeutung der Anlage innerhalb des gesamten Produktionsablaufs einen zuverlässigen Partner bzw. Lieferanten.

Autor: Mark Kohl, VIPA Vertriebsingenieur - in Kooperation mit den Firmen XAPI und Varta